Dortmund – Keimzelle des deutschen Internets: EUnet, DE-NIC und die Dortmunder Internet-Pioniere

Das Internet ist integraler Bestandteil unseres privaten und beruflichen Alltags. Es verdankt seine Erfolgsgeschichte der Kreativität von Pionieren, die früh das Potenzial der weltweiten Vernetzung von Rechnern erkannten.

Kaum jemand weiß um die Dortmunder Wurzeln des Internets in Deutschland, aber Dortmund spielte bei der Entwicklung des deutschen Internets eine prägende Rolle.

  • 1983 wurde in den Räumen der „Informatik Rechner Betriebsgruppe“ (IRB) der Universität Dortmund der erste deutsche „Backbone“ für den Datenaustausch im European Unix Network (EUnet) in Betrieb genommen und jahrelang betrieben.
  • Von 1988 bis Ende 1992 wurden sämtliche Domain-Namen mit der Endung „.de“ von der IRB im Projekt Deutsches Network Information Center (DE-NIC) administriert. Domain-Namen sind „Adressen“, unter denen Rechner von anderen Rechnern aus erreicht werden können.

EUnet verband die deutschen mit anderen nationalen europäischen Netzwerken und bot Übergänge zu den US-Netzen. „Mail“ und „News“, also die Kommunikation mit Hilfe von Computern, waren die wichtigsten Anwendungen. Aus dem anfänglich nur von Studenten realisierten „Probier“-Betrieb (ab 1985) entwickelte sich in Folge der großen Nachfrage aus Forschung und Wirtschaft unter dem Namen „EUnet“ ein offizielles Drittelmittelprojekt der Universität Dortmund.

Um die Verbindung zwischen den Computer herstellen zu können, wurde jedem Rechner eine eindeutige Zahlenkombination, eine „IP-Adresse“, zugeordnet. Zur besseren Lesbarkeit wurde diese später durch so genannte „Domain-Namen“ ergänzt. Die Registrierung der Adressen erfolgte durch die amerikanische Internet Assigned Numbers Authority (IANA). „uni-dortmund.de“ ist eine von sechs ersten „.de“-Domains, die in die Datenbank der IANA eingetragen wurden.

1988 wurde die Vergabe der „.de“-Domains von der IANA an das EUnet-Projekt übertragen. Unter dem Namen DE-NIC (Deutsches Network Information Center) erfolgte die Verwaltung der „.de“-Domains bis Ende 1992 an der Universität Dortmund.

Zusätzlich zu den rein technischen Entwicklungen etablierte sich Dortmund als Initiator und Gründer wichtiger Institutionen: Sowohl die Internet Society German Branch (isoc.de) wie die German Unix User Group (GUUG) gingen aus Initiativen von EUnet bzw. DE-NIC hervor.

Waren zunächst Forscher, Software-Entwickler, Ingenieure und Studierende die typischen Nutzer, wandelte das Aufkommen des World Wide Web Anfang der Neunzigerjahre das Internet zum Massenmedium

1993 wurde die EUnet Deutschland GmbH als erster kommerzieller deutscher Internet-Service Provider im Technologiezentrum Dortmund gegründet.

Das EUnet- und das DE-NIC-Projekt der Universität Dortmund prägten die digitale Landschaft und die Entwicklung des Internets in Deutschland entscheidend.

 

Die Dortmunder Internet-Pioniere

Die Dortmunder Internetpioniere vor dem alten Geschossbau

 

Die sprichwörtlichen Drahtzieher hinter dem Dortmunder EUnet-Projekt waren zu Beginn ausschließlich Studierende, die an der Informatik-Rechner-Betriebsgruppe (IRB) der Fakultät für Informatik der Technischen Universität Dortmund arbeiteten

Daniel Karrenberg kam während eines Aufenthaltes bei Microsoft in den USA mit Mail und News in Berührung. Für ihn war klar, dass er so etwas auch an seiner Alma Mater wollte. Zurück in Dortmund begann er gemeinsam mit IRB-Kollegen, sein Vorhaben umzusetzen und die bei der IRB vorhandenen UNIX-Systeme miteinander zu vernetzen.

Mit weiteren Akteuren der European UNIX User Group (EUUG) initiierte er die Gründung der German UNIX User Group (GUUG), die fortan das EUnet-Projekt als maßgebliche Nutzer-Community in seiner Entwicklung begleitete.

Die Motivation der Beteiligten waren die Begeisterung und die Überzeugung, dass Kommunikation vereinfacht und verbessert werden kann. Kommerzielle Interessen spielten dabei keine Rolle. Sie waren sogar potenziell problematisch, da die IRB als universitäre Einrichtung nicht gewinnorientiert arbeiten durfte. Daneben gab es mit dem damaligen „Post-Monopol“ technische und rechtliche Rahmenbedingungen, die von den Projekt-Beteiligten kreative, teilweise subversive Lösungen abverlangten, um einerseits die Kosten zu decken und andererseits möglichst effizient technisch zu realisieren. Dieser heikle Balance-Akt war nur möglich, weil Dr. Rudolf Peter als Chef der IRB die Bedeutung des Projektes verstand und im Austausch mit der Verwaltung der Universität schützend seine Hand darüber hielt

Daniel Karrenberg, der Initiator des EUnet-Projekts, gründete nach seiner Zeit bei EUnet in Amsterdam das RIPE NCC, den operativen Arm der IP-Adressverwaltung für Europa, Zentralasien und den Nahen Osten. Er erhielt 2001 als zweiter Preisträger überhaupt den Jon Postel-Award, die wohl höchste Auszeichnung für die Baumeister des Internets. Er wurde als erster von bis heute nur drei Deutschen in die „Internet Hall of Fame“ aufgenommen.

Axel Pawlik, in vielfältiger Funktion im EUnet Projekt aktiv, gründete Anfang 1993 zusammen mit den beiden Kollegen Andreas Schachtner und Marc Sheldon im TechnologieZentrum Dortmund den ersten kommerziellen Internet Service Provider in Deutschland, die EUnet Deutschland GmbH. Später prägte er als CEO von RIPE NCC 20 Jahre lang die Entwicklung des europäischen Internets.

Dr. Rudolf Peter als Leiter der IRB erkannte frühzeitig das Potential des EUnet Projekts und verantwortete die administrative Abwicklung mit der Verwaltung der Universität Dortmund

Rüdiger Volk verantwortete von 1988 bis Ende 1992 als Leiter des DE-NIC-Projekts die Vergabe der „.de“-Domains. Als Interessenvertretung initiierte er 1992 die Deutsche Interessengemeinschaft Internet (DIGI e.V.), die 1996 in die deutsche Sektion der Internet Society hervorging. Später war Rüdiger Volk bei der Deutschen Telekom AG Architekt des ersten IP-Backbones und beeinflusste mit der globalen Vernetzung („Herr der Routen“) maßgeblich die Internetpolitik des Konzerns.

Die Internet-Pioniere des EUnet- und des DE-NIC-Projekts der Universität Dortmund prägten die digitale Landschaft sowie die Entwicklung des Internets in Deutschland entscheidend. Ihre Wirkung geht weit über nationale Grenzen hinaus.

Das Deutsche Internet-Museum (DIM)

Interviews, Geschichten, Medien und historische Dokumente zur (Entwicklungs-)Geschichte des Internets in Deutschland sammeln wir in unserem interaktiven Museumsprojekt, das aktuell noch im Aufbau befindlich ist.

Eine Vorschau ist auf der Webseite https://www.deutschesinternetmuseum.de/ bereits verfügbar.